Eine Nachricht hat in der vergangenen Woche eingeschlagen wie eine Bombe: Die DNA des Rechtsterroristen Uwe Böhnhardt wurde bei der Leiche von Peggy Knobloch gefunden. Peggy war im Mai 2001 spurlos verschwunden. Ihre Leiche wurde erst in diesem Sommer 2016, nach 15 Jahren, in einem Waldstück entdeckt. Nun also stellt sich die Frage, wie der NSU mit einer Kinderleiche in Verbindung zu bringen ist.
Für viele scheint dies hinten und vorne nicht zusammen zu passen. „Ex-Chefermittler überrascht“ heißt es da zum Beispiel – oder es wird seitens eifriger DiskutantInnen darauf verwiesen, dass doch gerade (Neo-)Nazis immer wieder sich insbesondere mit Kampagnen gegen „Kinderschänder“ hervortun.
Nicht überrascht hingegen war der Anwalt der Nebenklage, Yavuz Narin. Er wies darauf hin, dass ihm eine Häufung pädokrimineller Gewaltverbrechen im Umfeld des NSU aufgefallen sei und sagt „Von einem Netzwerk zu sprechen, scheint mir untertrieben. Man müsste von einem Sumpf sprechen.“ Quelle
Und in der Tat: Nicht nur Pädokriminalität, sondern auch Verbindungen ins und Beteiligung am Rockermilieu, welches in Verbindung zu bringen ist mit Kinder- und Frauenhandel, stechen geradezu ins Auge.
Dies möchten wir uns in diesem Beitrag einmal genauer ansehen.
Hinweis: Die nachfolgenden Ausführungen sind das Ergebnis einer ca. einwöchigen Recherche. Sie beanspruchen keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es gibt sicher Menschen, die sich schon länger mit dem NSU und seinem Umfeld befassen, weitere Hinweise sind ausdrücklich erwünscht! Gerne liefern wir bei näherem Interesse zu einzelnen Informationen oder Aspekten auch weiterführende Literatur.
Was wir über den NSU in diesem Zusammenhang wissen
Auf Beate Zschäpes Rechner wurden zwei Mal pädokriminelle Inhalte gefunden. Zum ersten Mal Ende der 1990er Jahre. Quelle Das Verfahren wurde eingestellt, weil das Trio in den Untergrund abgetaucht war. Ein zweites Mal dann im Jahr 2011, als sich Zschäpe nach dem Tod der beiden Uwes stellte, auf einem PC in der von ihr in Brand gesetzten Wohnung in der Zwickauer Frühlingsstraße, in der die drei zuletzt lebten. Bemerkenswert an diesem Material ist, dass den Experten das gesichtete Material bis dato unbekannt war. Erwähnenswert ist außerdem, dass es sich bei den abgebildeten Kindern zumindest teilweise um „farbige Mädchen“ handelte. Quelle In einem anderen Artikel ist auch die Rede davon, dass Videos gefunden seien, auf denen Jugendliche miteinander Sex haben. Auch dieses Verfahren wurde eingestellt, da es sich hierbei im Vergleich zu den anderen Vorwürfen in Bezug auf den NSU um eine Geringfügigkeit handele, die bei der Gesamtstrafenbildung voraussichtlich nicht ins Gewicht fallen würde. Quelle Quelle
Im ausgebrannten Eisenacher Wohnmobil wurde Kinderspielzeug und Kinderkleidung gefunden, an denen eine bisher unbestimmte weibliche DNA festgestellt werden konnte. Quelle Quelle Quelle
Zeugen schilderten außerdem, Zschäpe und Böhnhardt seien von Kindern begleitet worden, als sie zwischen 2000 und 2011 Wohnmobile anmieteten. Quelle . Eine Angestellte der Verleihfirma in Schleiersgrün gab vor Gericht an, sie seien in Begleitung eines etwa vier- oder fünfjährigen Mädchens gewesen. Es habe längere blonde Haare gehabt, vermutlich Zöpfe. Zu der Frau habe das Mädchen ein engeres Verhältnis gehabt, womöglich sogar „Mama“ zu ihr gesagt: Quelle
Am 6. Juli 1993 verschwand der neun Jahre alte Schüler Bernd Beckmann aus Jena, wenige Wochen zuvor vor Uwe Böhnhardt aus der Haft entlassen worden (dazu später mehr). Am Fundort der Leiche wurde der Außenmotor von Enrico Theiles Boot gefunden. Theile, der später an der Beschaffung der NSU-Tatwaffe beteiligt gewesen sein soll, gehörte derselben Jugendbande an wie Böhnhardt. Er belastete Böhnhardt bzgl. des Mordes an Bernd Beckmann. Keinem der beiden konnte jedoch etwas nachgewiesen werden. Der Fall gilt bis heute als ungelöst.
Den Internetprotokollen des PCs in der Frühlingsstraße ist im Übrigen auch zu entnehmen, dass Beate Zschäpe regelmäßig auf Pornoseiten surfte (z.B. „Sexy Cora“, „Dirty Tracy“, „Gina Lisa Sexfilm“) Quelle
In den Browserverläufen des PC in der Frühlingsstraße fand sich darüber hinaus eine Recherche nach diversen Büchern aus dem Bereich sexuelle Gewalt gegen Kinder:
Das Scheißleben meines Vaters, das Scheißleben meiner Mutter und meine eigen Scheißjugend
Schloß aus Glas
Sie haben mich verkauft – eine wahre Geschichte
Nur noch einmal: Als Drogenkurierin im härtesten Frauengefängnis Brasiliens
Und plötzlich gehörst du ihm: Gefangen im Netz eines Loverboys
… doch helfen mußte ich mir selbst: Opfer eines sadistischen Ehepaares. Doch niemand glaubt ihr.
Nicht ohne meine Schwestern: Gefangen und mißbraucht in einer Sekte
Lockruf Saudia: meine Erlebnisse im Hostessencamp
Chatroom-Falle
Schwestermutter: Ich bin ein Inzestkind
Ich war erst 13: Die wahre Geschichte von Lon
Noch einmal meine Mutter sehen: Vom eigenen Vater in die Sklaverei verkauft
Hinter goldenen Gittern: Ich wurde im Harem geboren
Bei lebendigem Leib Vater unser in der Hölle: Durch Inzest und den Mißbrauch in einer satanistischen Sekte zerbrach Angelas Seele
Gute Nacht Zuckerpüppchen
Wäre ich doch ein Junge geworden: Erfahrungen eines Mißbrauchsopfers
Grausam: Eine böse Mutter – der Überlebenskampf ihrer Tochter – Ein Familiengeheimnis – rettende Hilfe aus dem Jenseits
Ausgeliefert: wie ich die Hölle meiner Kindheit überlebte Quelle
Pädokriminalität im Umfeld des NSU
Im Umfeld des NSU finden sich eine ganze Reihe von Menschen mit reellem oder vermutetem Bezug zu Pädokriminalität:
– Über den bereits erwähnten Enrico Thiele sagte ein Zeuge er „steht auf kleine Kinder“. Eine Hütte in der Nähe des Fundorts von Peggys Leiche soll von ihm benutzt worden sein. Quelle Quelle
– Ein weiterer Nutzer besagter Hütte soll Henning Haydt gewesen sein. Gegen Haydt wurde bereits wegen sexueller Gewalt gegen Kinder ermittelt Quelle. Auch der Besitz „pädokrimineller Dokumente“ Quelle, sowie von Collagen, die die Vergewaltigung und Zerstückelung von Kindern zeigen sollen Quelle Quelle , sind in bezug auf ihn bekannt. Es gibt außerdem eine Nähe zum Rocker- und Rotlichtmilieu, da er mit seiner (ex) Band „Limited Booze Boys“ regelmäßig in Clubhäusern von MC (= Motorradclub) Gremium, Red Devils und anderen spielte. Quelle Quelle
– Tino Brandt, der lange Jahre der Kopf des Thüringer Heimatschutzes war, in dem auch das NSU-Trio aktiv war, und der diesem Geld weitergeleitet haben soll, soll 2009 zusammen mit Thomas Dienel (V-Mann „Küche“) einen Zuhälterring mit rumänischen Jungen betrieben haben Quelle Da ihnen dies nicht nachgewiesen werden konnte, wurde das Verfahren eingestellt. Im Dezember 2014 wurde Brandt jedoch wegen „sexuellen Missbrauchs“[i] und Zuhälterei in 66 Fällen verurteilt – in 91 weiteren Fällen wurde das Verfahren eingestellt, da das Gericht sich auf die schwersten Verdachtsfälle konzentrierte. Quelle
– Mit Mirko Eberlein gemeinsam hatte Brandt bereits um die Jahrtausendwende ein Internetportal namens „Junge Knaben“ betrieben (zu Eberlein später mehr) Quelle
– Patrick Wieschke, ein Mitglied des Thüringer Heimatschutzes, der gute Kontakte zum NSU-Mitangeklagten Ralf Wohlleben hatte und Beate Zschäpe 2011 bei sich aufgenommen haben soll, wurde 2001 vorgeworfen sexuelle Gewalt gegen eine 12-Jährige angewendet zu haben. Quelle Quelle Außerdem prügelte er mehrfach Mutter und Schwester. Quelle
– Auf einer von Uwe Mundlos angefertigten Liste von Kontaktpersonen fand sich der Name von Hans Joachim S., der der Polizei bestens bekannt ist wegen sexueller Gewalt gegen die eigenen Kinder und Misshandlung der eigenen Ehefrau Quelle
– Der V-Mann Torsten Ogertschnig berichtete seinem V-Mann-Führer bereits im Jahr 2003 vom NSU. Derzeit sitzt er hinter schwedischen Gardinen aufgrund sexueller Gewalt gegen Minderjährige und illegalem Munitionsbesitz. Quelle
Selbst wenn wir von einer sehr großen Dunkelziffer in Bezug auf sexuelle Gewalt gegen Kinder ausgehen, die ja bekannt ist, ist diese Häufung in der Tat sehr auffällig.
Wir sind der Meinung, dass dies mit hoher Wahrscheinlichkeit leichter erklärbar wird, wenn wir uns die Neonazistrukturen noch näher anschauen.
Schnittmengen der Neonaziszene zum Rotlichtmilieu
Bereits im Jahr 1994 wurde in Brandenburg eine antifaschistische Broschüre mit dem Titel „Hinter den Kulissen #1“ herausgegeben Quelle , in der die AutorInnen sich unter anderem unter dem Titel „Rotlichtmilieu in Zusammenarbeit mit faschistischen Schlägern“ mit den Verquickungen von Neonazis und Rockermilieu auseinandersetzten.
Ein Auszug:
„Ein [Teil der Faschisten aus Potsdam] … begann Mitte/Ende 1991, Kontakte ins Zuhältermilieu und in verschiedene Bereiche der „Organisierten Kriminalität“ aufzubauen. [Manche] arbeiteten und arbeiten als Fahrer und „Schutz“ für die Zuhälter des Straßenstrichs in der Thälmann- bzw. Großbeerenstraße. Nachdem der Straßenstrich in der Thälmannstraße etabliert worden war, wurde Anfang 1993 ein Kinder- und Mädchenstrich aufgebaut, der zunächst über verdeckte Wohnungen in der Waldstadt organisiert war und dann in Wohnungen … direkt gegenüber vom Potsdamer Magistrat verlegt wurde. … Darüber hinaus bauten Altfaschos … illegale Bordelle und Spielcasinos in Groß Derschau und einen zeitweiligen Wohnwagenstrich in Rathenow auf. Holger Steinbuch hat für seine Bordelle u.a. Frauen aus der ehem. CSFR (CSFR oder CSSR?) regelrecht gekauft und dann zur Prostitution gezwungen. Gleichzeitig stieg die sog. „Springer Bande“ … in so genannte lukrative „Geschäftsbereiche“ wie Schutzgelderpressung von Kneipen und Discos, Hehlerei und Autoschiebereien … ein.“
Diese Entwicklungen beschränken sich nicht nur auf Brandenburg, sondern sind auch für Thüringen und das Umfeld von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe und insbesondere den Thüringer Heimatschutz nachvollziehbar. Hier ein paar Schlaglichter:
Im November 2013 wurde von einer Gruppe von Neonazis aus Saalfeld und Umgebung, darunter der bereits erwähnte Mirko Eberlein und der – auch bei den Bandidos aktive – Michael Hubeny, ein Geldtransporter überfallen, um mit diesem Geld das Bordell „Blue Velvet“ in Rudolstadt zu betreiben. Es fand ein Austausch von Prostituierten durch die Saalfelder Neonazis mit drei ebenfalls involvierten Litauern statt. Die Täter wurden zu Bewährungsstrafen verurteilt. Quelle Anfang Mai 2014 wurde in einem weiteren Verfahren bekannt, dass einer der Beteiligten in der Vergangenheit auch in Jena Wohnungen für Prostitutionszwecke angemietet hatte. Quelle Quelle Quelle
Beate Zschäpe schrieb sich in der Haft eine Zeit lang mit einem gewissen Robin Schmiemann Briefe. Schmiemann ist/war Mitglied der Oidoxie Streetfighting Crew. Ebenfalls dort Mitglied ist ein Sebastian Seemann, der Geld mit Waffen- und Drogengeschäften (Kokain) und Prostitution verdiente (und tut es vielleicht immer noch) Seemann, zu dessen „Geschäftspartnern“ auch die Bandidos gehören, war bei Blood & Honour und Freund des dreifachen Polizistenmörders Michael Berger. Schmiemann, der ein Tattoo von Combat 18 trägt, soll mit Kokain gedealt haben. Quelle Quelle Er soll bei einem Kokain-Deal mit einem Russlanddeutschen geprellt worden sein. Danach bestand Sebastian Seemann als mutmaßlicher Hintermann offenbar darauf, dass Robin Schmiemann das Geld wiederbeschaffe. “Er hat mir damals die Waffe in die Hand gedrückt und mich losgeschickt”, sagte Schmiemann vor dem Dortmunder Schwurgericht. Kurz darauf überfiel Robin Schmiemann den Plus-Markt in Brechten und schoss dort einen Tunesier nieder. Quelle
Sven Rosemann, ein guter Freund des späteren NSU-Trios, war schon Ende der 1990er Jahre ins sogenannte Rotlichtmilieu gegangen und gehörte einem kriminellen Netzwerk an, über das die Ceska und andere Waffen zum NSU gelangt sein sollen. Quelle Auch er verdiente (und verdient ggf. immer noch) mit Prostitution sein Geld und saß interessanterweise 1993 mit Böhnhardt zusammen in einer Zelle in der JVA Hohenleuben Quelle.
Rosemann machte auch Waffengeschäfte mit Jug Puskaric Quelle, der ebenfalls aus dem Thüringer Heimatschutz stammt, und sich heute als Zuhälter in Baden-Württemberg finanziert. Quelle
Nach dem Verbot der Skinheads Sächsische Schweiz (SSS), zu denen der NSU-Mitangeklagte André Eminger engen Kontakt pflegte, wichen viele auf das Rockermilieu aus. Zum Beispiel fanden viele Rechtsrockkonzerte aus dem Umfeld von B & H im Clubhaus des Dresdner MC Gremium statt. Quelle Exemplarisch: Bei diesem MC tauchte Andreas Pohl als Vize-Präsident wieder auf, der sich bereits in den neunziger Jahren beim „Clan MC“ betätigt hatte, einem MC, der von der Polizei schnell mit Rotlicht und Neonazikonzerten in Verbindung gebracht wurde. Quelle
Die Expertin Andrea Röpke weist darüber hinaus darauf hin, dass Neonazis die Bezeichnungen von MCs benutzen (z.B. die „Hammerskins), sowie deren Organisationen wie Chapter, usw. und sich in Drogen- und Frauenhandel einmischen, insbesondere in Norddeutschland. Quelle
Dies sind nur ein paar wenige Beispiele, die Liste könnte unendlich weitergeführt werden. Das Gleiche gilt auch für den nächsten Bereich.
Schnittmengen mit dem Bereich anderer organisierten Kriminalität
Organisationen der Organisierten Kriminalität (OK) sind in allen Bereichen aktiv, in denen sich Geld machen lässt. Es gibt keine Spezialisierungen im Sinne von „Gruppe x ist aktiv im Kinder- und Frauenhandel, Gruppe y zuständg für die Drogen und Gruppe z handelt mit Waffen“. Insofern ist die in diesem Artikel vorgenommene Aufteilung zwar grundsätzlich unsinnig, aber unserem besonderen Interesse bzgl. Prostitution und Menschenhandel geschuldet.
Schauen wir uns zunächst noch einmal Hinweise an, die auf eine direkte Verbindung von Zschäpe/Mundlos/Böhnhardt selbst ins Rockermilieu hinweisen:
Da ist zum einen eine DNA-Spur, die nach einer Schießerei vor dem Clubhaus der Bandidos in Berlin-Wedding gefunden wurde. Diese stimmt zumindest teilweise mit einer DNA-Spur aus einem der letzten Verstecke des Trios überein. Quelle Quelle
Ein ursprünglich aus dem Thüringer Heimatschutz stammender Zeuge aus dem Bandidos Milieu aus Baden-Württemberg, welches durch Blood & Honour „Aufbauhilfe Ost“ für den Aufbau eines Bandidos-Chapter in Thüringen bekam, sagte, er habe Beate Zschäpe Mitte der 90er Jahre kennengelernt, evtl. auch Uwe Mundlos. Quelle
Bereits Anfang 2012 wurde bekannt, dass ein Rechtsanwalt im Jahr 2011 Beate Zschäpe in Erfurt bei einem Prozess gegen Mitglieder der Bandidos (darunter bereits erwähnter Michael Hubeny) gesehen haben will. Sie habe sich am Rande des Prozesses an ihn gewandt und um Hilfe gebeten Quelle
Im März 2012 war in der Szenezeitschrift „Biker-News“ in der Rubrik „Jail Mail“ ein Gruß an Beate Zschäpe zu entdecken. Quelle
Auch ein Blick nach Hessen offenbart NSU-nahe Kontakte ins Rockermilieu:
Der mitangeklagte André Eminger ist Mitglied beim MC Stahlpakt, der vor allem in Sachsen und Thüringen aktiv ist, und trägt seine Kutte auch bei Gericht. Quelle
Der NSU-Unterstützer Michel F. ist Mitglied bei den Bandidos in Kassel, ein inzwischen pensionierter Polizeibeamter aus Rotenburg schloss sich 2012 dem neugegründeten Kasseler Chapter der Chicanos an, bei denen es sich um einen Unterstützerclub der Bandidos handelt. Quelle Das Clubhaus der Bandidos befindet sich nur etwas über einen Kilometer vom Internetcafé des am 6. April 2006 ermordeten Halil Yozgat entfernt. Dort spielte am 18. März 2006 die Dortmunder Band Oidoxie, die sich öffentlich mit NSU-Unterstützer Ralf Wohlleben solidarisiert. Bandmitglied Marco E. stammt ursprünglich aus Hessen. An die Mitglieder der Oidoxie Streetfighting Crew, mit Kontakten zu Combat 18, wurden die Turner-Tagebücher als Anleitung für den Zellenbau verteilt. Quelle
Andreas Temme, der hessische Verfassungsschützer, der während oder unmittelbar vor dem Mord an Halil Yozgat in Kassel in dessen Internetcafé auf Sexseiten gesurft sein soll und dessen Spitzname „Kleiner Adolf“ lautet, hat Kontakte zu den Hells Angels. Er war Anfang der Neunziger Jahre auf einer Hells Angels Party in Berlin und pflegt nach eigenen Aussagen private Kontakte zu den Hells Angels – weil er gerne Motorrad fährt, so seine Begründung. Quelle
Weitere Beispiele:
– Im 2004 gegründeten MC Gremium Chapter „Dark7Side“ tummeln sich eine Reihe von Neonazis um dessen Präsident Lars Burmeister. Quelle
– Die „Vandalen“ Berlin stehen in Verbindung zu Blood & Honour und zu Waffenbeschaffern aus Österreich, Tschechien und Belgien Quelle
– Der MC Kreuzeiche Germania veranstaltete 2011 u.a. einen „Swastika Cup“, an dem auch Blood & Honour Aktivisten, die Sprengstoff für die neonazistische Szene besorgten, teilnahmen Quelle
– Sasche Roßmüller war von 1999 – 2002 Bundesvorsitzender der NPD Jugendorganisation JN. 2014 wurde das heutige Bandidos-Mitglied inhaftiert wegen seiner Beteiligung an einer Messerstecherei zwischen Bandidos und MC Gremium Quelle
– Sächsische Neonazis handeln im großen Stil mit Crystal Meth Quelle Quelle Quelle Quelle
– Auch die Neonaziband „Kategorie C“ tritt regelmäßig in Clubhäusern diverser MCs auf, z.B. im April 2008 im Kieler Rotlichtviertel Quelle
Der Versuch einer Einordnung
Abschließend zu diesem Komplex der organisierten Kriminalität im Allgemeinen und Handel mit Kindern und Frauen im Besonderen ist es uns wichtig darauf hinzuweisen, dass all diese Zusammenhänge kein Zufall sind, haben doch Neonaziszene und Rockermilieu vor allem ihren Männlichkeitskult mit klar festgelegten Geschlechterrollenvorstellungen gemein, Rollenvorstellungen, die auch durch die Institution der Prostitution bedient und gestützt werden .
Mitunter wurde aus der Antifa-Szene heraus die Medienberichterstattung kritisiert, die auf die mütterliche Rolle Beate Zschäpes in Bezug auf das Trio hinwies. Die Kritik: Auch Frauen können zentrale Rollen in der Neonaziszene einnehmen und seien nicht einfach nur Mitläuferinnen. Dass das eine und das andere überhaupt kein Widerspruch ist, scheint von manchen nicht verstanden worden zu sein.
Sexualität, bzw. das traditionelle männliche Verständnis von Sexualität, in dem die Frau sich den männlichen angeblichen Bedürfnissen, gemeint sind Wünsche, unterzuordnen hat, ist in diesen Strukturen, in denen Männlichkeit, Gewalt und Stärke eine zentrale Rolle spielen, besonders stark ausgeprägt. Hier passt die Prostitution ideologisch wunderbar hinein. Sexualität ist ein Machtinstrument, sexuelle Gewalt und kommerzialisierte sexuelle Gewalt erfüllen eine wichtige Funktion um diesen Machtwunsch auszuleben.
Noch viel mehr gilt das in Bezug auf die Pädokriminalität[ii], in der das Machtgefälle besonders stark ausgeprägt ist.
Sexuelle Gewalt gegen Kinder (und Frauen) ist bei weitem nicht nur auf solche Milieus beschränkt, aber sie passt hier besonders gut rein. Dies auch in finanzieller Hinsicht:
Prostitution und Menschenhandel sind genauso wenig von einander trennbar wie der Handel mit Frauen und der Handel mit Kindern (das durchschnittliche „Einstiegsalter“ liegt weltweit bei 13 Jahren). Wie in jedem Marktbereich bestimmt die Nachfrage das Angebot. Während sich über den Frauenhandel das meiste Geld über das Vermieten von Bordell- und Terminwohnungszimmern (durchschnittlich um die 150 Euro pro TAG) und das Abkassieren von „Schutzgeld“ verdienen lässt (erst bei mehr als 50% des Prostituierten“lohns“ handelt es sich um den Straftatbestand der Zuhälterei), sind die „Löhne“ im deutschen liberalisierten Prostitutionsmarkt ganz im Keller angekommen: 25 Euro im Frankfurter Laufhaus, bis zu 5 Euro, eine Schachtel Zigaretten oder etwas zu Essen im Strassenstrichbereich (die Bezeichnungen „Aldi“ oder „Hartgeldstrich“ kommen nicht von ungefähr)
Kinder kann man schwerlich durch Wuchermieten ausbeuten, mit der Ware Kind lassen sich jedoch dafür besonders hohe Preise erzielen. Einen Hinweis darauf erhält man in der Berichterstattung über den Prozess gegen Tino Brandt. So heißt es beispielsweise: „Die Staatsanwaltschaft hatte Brandt vorgeworfen, Minderjährige missbraucht und zum Sex an Erwachsene vermittelt zu haben. Bis zu 450 Euro sollen dafür jeweils geflossen sein“ Quelle
Wenn man sich im Übrigen den NSU-Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter näher betrachtet, der auf den ersten Blick nicht wirklich in die Mordserie hineinzupassen scheint, so fällt auf, dass sich über ihre enge Freundin, die Polizistin Anja Teichmann (später: Wittig), nicht nur eine Verbindung zwischen NSU und dem Mord an Peggy Knobloch herstellen lässt – Anja Teichmann/Wittig heiratete nicht nur eine von ihr eigentlich observierte Person mit Verbindungen ins Neonazimilieu, sondern war auch 2001 Mitglied in der bayrischen „Soko Peggy 1“. Quelle Darüber hinaus war Kiesewetter kurz vor ihrem Tod in einer Aktion gegen Menschenhandel / Prostitution in einer russischen Disko „La Luna“ als Undercover Agentin eingesetzt, und wurde offensichtlich von der Russen-Mafia enttarnt. Quelle Genau wie die übrigen bekannten Opfer des NSU wurde sie im Vorfeld des Mordes bedroht.
Einen weiteren Aspekt möchten wir gerne ansprechen.
Satanismus / Rituelle Gewalt
ExpertInnen wie die psychologische Psychotherapeutin Michaela Huber und der Kriminalbeamte a.D. und Menschenhandelsexperte Manfred Paulus werden nicht müde zu betonen, dass rituelle Gewalt und Kulte eine nicht unbedeutende Rolle spielen in Bezug auf Vorbereitung von Kindern für die Ausbeutung in der Prostitution. Auch Alt- und Neonazistrukturen sowie die organisierte Kriminalität werden von beiden benannt.
Die nachfolgenden Ausführungen bewegen sich im spekulativen Bereich, könnten jedoch Ansatzpunkte in diese Richtung liefern:
Zunächst sei noch einmal verwiesen auf das Internetverhalten des Trios in der Zwickauer Wohnung (siehe oben)
Der Name Henning Haydt wurde bereits erwähnt. Hier sei nochmal an die bei ihm gefundenen Collagen, welche die Vergewaltigung und Zerstückelung von Kindern zeigen, erinnert.
Die NSU-Unterstützerin Mandy Struck war 2001 (im Jahr von Peggys Verschwinden) mit einem Neonazi namens Heiko Walther liiert, von dem sie vor Gericht sagte, dass sie mit ihm gemeinsam Sonnenwendfeiern und Schulungen besuchte. Sie schilderte, dass sie regelrecht vor ihm geflohen sei, denn er sei satanistisch gewesen und habe einen Altar im Wald gehabt. Außerdem hab er ständig versucht sie „mit allen Mitteln“ zu hypnotisieren Quelle
Mehrere NSU-Unterstützer tragen die Schwarze Sonne, ein Symbol der rechtsesoterischen Szene, als Tattoo auf ihrer Haut: André Eminger auf seinem Bein, Enrico Marx auf seinem rechten Ellenbogen. Die Schwarze Sonne ist in den Boden einer Säulenhalle in der Wewelsburg eingelassen. Diese diente zur Zeit des Hitler-Faschismus nicht nur als SS-Kaderschule unter Heinrich Himmler (derjenige übrigens, welcher die Wehrmachtsbordelle einrichten ließ) Quelle, sondern wurde auch in jüngerer Vergangenheit von Opfern ritueller Gewalt als Kultort benannt.Quelle
Ein Mann namens Hendrik Möbus ermordete im Jahr 1993 seinen Mitschüler Sandro Bayer, und wird deshalb „Satanistenmörder von Sondershausen“ genannt. Nach einer frühzeitigen Haftentlassung lebte er bis zu seiner Abschiebung nach Deutschland bei William Pierce, dem Autor der bereits erwähnten Turner-Tagebücher, die in deutschen Übersetzungen im NSU-Umfeld aufgefunden wurden. Besuch in den USA erhielten die beiden von niemand geringerem als Tino Brandt, nach Erkenntnissen des Thüringer Verfassungsschutzes wurde Brandts Flugticket von Pierce bezahlt. Quelle Quelle Darüber hinaus ist Christian Schöndorfer, mit dem Möbus zusammen ein Musiklabel gründete, ein Freund von Beate Zschäpes Cousin Stefan Apel. Möbus Label und Internethandel „Merchant of Death“ wurden später auch Sublabel von Mike Hesses Label „Hate Records“. Hesse ist Gründer der Hammerskins in Ostsachsen und ebenfalls mit William Pierce bekannt. Quelle Quelle Quelle Quelle Uns ist jedoch unbekannt, ob Turners Satanismus mit ritueller Gewalt in Verbindung zu bringen ist. Diese Zusammenhänge kennen in den Kulten jedoch immer nur die Menschen im inneren Zirkel, weshalb eine Erwähnung dennoch sinnvoll erscheint.
Ähnliches gilt für die Beobachtung, dass zahlreiche Personen im NSU-Netzwerk in Zusammenhang zu bringen sind mit der Artgemeintschaft – Germanische Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung e.V. Diese gehörte zu den möglichen Empfängern eines sichergestellten Spendenbriefes des NSU. Quelle .Quelle Quelle Das Trio und zahlreiche andere aus dem Umfeld besuchten Veranstaltungen der Artgemeinschaft, und Mundlos hatte bis zu seinem Abtauchen deren Presseorgan Die Nordische Zeitung abonniert. Quelle Quelle
Der Grund, aus dem dies hier genannt wird, liegt in der Tatsache, dass Nazi-Aussteiger Matthias Adrian 2008 in einem Interview berichtete, dass er über die Artgemeinschaft an einer schwarzen Messe der Fraternitas Surtur teilnahm. Quelle Es muss jedoch angemerkt werden, dass ein Experte einen Zusammenhang zwischen Artgemeinschaft und Fraternitas Surtur für eher unwahrscheinlich hält. Vielleicht kam darüber jedoch ein Kontakt zustande.
Fragen die sich unseres Erachtens u.a. stellen
Warum wurde der Spur der pädokriminellen Inhalte auf Zschäpes Rechner nicht nachgegangen? Wäre es nicht von Interesse, bei bis dato unbekanntem Material herauszufinden wer diese Kinder sind, was mit ihnen passiert ist und wer diese Aufnahmen erstellt hat?
Wurde die Einbettung des NSU in ein größeres Netzwerk der organisierten Kriminalität (also nicht nur rechtsterroristischer Art) jemals in Erwägung gezogen und geprüft?
Gibt es über die DNA Spuren, die Personen Anja Teichmann/Wittig und den Ermittler Wolfgang Geier hinaus weitere personale Parallelen zwischen dem Mord an Peggy Knobloch und dem NSU?
Gibt es Überschneidungen (z.B. personale aus den Komplexen NSU und Sachsensumpf?
Wieso wurden immer wieder Verfahren von Taten zu Lasten von Kindern eingestellt, weil andere Taten vergleichsweise schwerer ins Gewicht fallen? Welches Signal sendet dies an die Opfer aus, und resultiert daraus das offensichtliche Nicht-Ernstnehmen dieser Komponente neonazistischer Strukturen?
Welchen Beitrag leisten Einkünfte aus dem „Rotlichtmilieu“ – sprich sowohl der legalisierten Zuhälterei als auch illegaler Praktiken der Prostitution bei der Finanzierung solcher Strukturen und wie weit sind sie ein Ausdruck der Gewalt im Prostitutionsgeschäft?
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[i]
[i] Der Begriff des sexuellen Missbrauchs wurde von uns in Klammern gesetzt, weil wir diesen Terminus problematisch finden. „Missbrauch“ legt nahe, dass auch ein positiver „Gebrauch“ möglich wäre. Gebrauch kann aber prinzipiell nur von Sachen oder Situationen gemacht werden, unter keinen Umständen jedoch von Menschen. Der Straftat bestand lautet jedoch aktuell so, deshalb haben wir ihn überhaupt verwendet. Da wo er umgänglich war, haben wir uns für passendere Ausdrücke entschieden
[ii] Wir sprechen bewusst nicht von Pädophilie, denn Menschen, überwiegend Männer, die tatsächlich nur Erregung in Bezug auf Kinder empfinden können, machen eine absolute Minderheit in dem Feld aus (unter 10%). Der Großteil entwickelt diese Wünsche nach Sexualität an Kindern und Jugendlichen erst im Erwachsenenalter, und nicht selten selbstinduziert (zum Beispiel durch Konsum von Pornographie, Stichwort „teen porn“).