DOLL HAZARD, das sind Sandy Hazard aus Vancouver / Canada und Chris Damien Doll aus Oslo / Norwegen. Die beiden haben gerade – jeglicher physischer Distanz zum Trotz – gemeinsam ein Album mit dem Titel „Transatlantic Meltdown“ veröffentlicht. Grund genug mal eine Runde mit den beiden zu plaudern.
Manu: Was für eine nette Überraschung: Die Masterminds von zwei fantastischen Bands, nämlich den SUICIDE BOMBERS und DIRTBAG REPUBLIC haben sich entschieden, sich zusammen zu tun und uns mit “Transatlantic Meltdown” zu beschenken – eine fantastische Arbeit. Erzählt uns doch mal was über DOLL HAZARD und wie es dazu gekommen ist.
Sandy: Danke Manu. Bei DOLL HAZARD haben Chris Damien Doll und ich unsere jahrelange geballte Rock n Roll Erfahrung zusammengeschmissen und ein umwerfendes Album produziert. Chris und ich haben schon öfter in den letzten Jahren darüber gesprochen ein oder zwei Songs zusammen zu machen, jedoch ernsthaft erst in den letzten beiden Jahren die Details abgeklärt. Aus einem Song wurden mehrere Songs, dann wurde es eine EP, und dann haben wir uns gedacht … zur Hölle, lass uns ein ganzes Album machen.
Chris: Es ist wirklich cool, wie die Technik das ermöglicht hat. Ich erinnere mich, dass ich vor ein paar Jahren darüber gelesen habe und als wir angefangen haben das zu besprechen, dachte ich „Moment…, wir haben den ganzen Scheiß doch schon! Wir können das wirklich machen.“ Von dem Zeitpunkt an, an dem wir begonnen haben, das ernsthaft zu verfolgen, ist alles wirklich sehr geschmeidig abgelaufen und der Plan ein ganzes Album zu machen, war eigentlich schon da, bevor wir anfingen die Songs zu schreiben. Ich bin froh, dass wir es vollendet haben. Wir sind beide Typen, die es mit physischen CDs haben, und das gilt auch für die Fans unserer Bands, deshalb ist es sehr cool ein Album draußen zu haben.
Manu: Ihr lebt 7200 km entfernt von einander. Was sind denn die Schwierigkeiten, wenn man zusammen unter solchen Rahmenbedingungen ein Album aufnimmt?
Sandy: Wir mussten gucken, dass unsere Aufnahmebedingungen perfekt aufeinander abgestimmt waren und ich habe ein click-track aufgesetzt, um sicherzustellen, dass alles zusammenpasst, wenn wir die Dateien hin und her schicken. Das hat alle möglichen Schwierigkeiten während des Aufnahmeprozesses behoben. Die Zeitzonen waren ein weiterer Faktor… Wir sind beide Nachteulen, aber die 9 Stunden Zeitdifferenz haben uns ein wenig vor Herausforderungen gestellt, aber wir haben kurzerhand mehr oder weniger drum herum gearbeitet. Was uns wirklich sehr geholfen hat, war, dass wir alles schon ausgetüftelt hatten, bevor wir angefangen haben aufzunehmen.
Chris: Sandy ist der technisch versierte von uns, aber ich hatte auch schon ein paar Erfahrungen damit auf diese Weise aufzunehmen, deshalb glaube ich, haben wir uns mehr als eigentlich nötig war darüber den Kopf zerbrochen. Alles ist wirklich vom ersten Versuch an glatt gegangen, das war wirklich sehr cool. Ich hasse es aufgrund von technischen Problemen festzuhängen und zum Glück gab es keine. Aufgrund der Zeitdifferenz können wir ernsthafterweise sagen, dass wir an dem Album rund um die Uhr gearbeitet haben. Es hat total viel Spaß gemacht, morgens aufzuwachen und anzuhören, was Sandy am Tag zuvor gemacht hat.
Manu: Wie würdet ihr den Style des jeweils anderen beschreiben?
Sandy: Chris ist ein Hybrid von CHUCK BERRY, der vom Rock n Roll beeinflusst ist. Auf dem Weg dorthin hat er mit HANOI ROCKS zu Abend gegessen und hatte ein köstliches W.A.S.P. Crown Royal Brulee zum Nachtisch. Auf dem Heimweg ist er ein paar Punks begegnet und wurde in deren Gemeinschaft indoktriniert. Als er schließlich zu Hause ankam, war er ein Punsch aus den besten Elementen der Musik.
Chris: Hahaha, das ist eine fantastische Antwort! Es ist auch bei Sandy verdammt schwer eine passgenaue Antwort zu geben, weil der auch so viele verschiedene Sachen gemacht hat. Ich bin versucht zu sagen, dass er sandigen, nach vorne gehenden „In your Face“ Rock n Roll verkörpert, kombiniert mit einer punkigen Kante, was stimmen würde, aber er hatte auch einen großen Anteil an den MCRACKINS, die ein gutes Gespür für Pop hatten, und die letzten Alben waren Meisterwerke in Sachen Aufbau und Produktion. Als Schlagzeuger ist Sandy total “in the pocket”, jedoch auch sehr vielseitig und findet immer verschiedene Möglichkeiten wie man etwas aufziehen kann. Als Song-Schreiber hat er ein großartiges Gespür sowohl für Melodie als auch für den Punch, und als Sänger diese großartig rotzige Art seine Worte auszuspucken, sowie gute Ideen in Bezug auf Harmonien und Stimmlagen.
Manu: Chris, „No Valentine Cards“ erinnert mich ja sehr an die TRASHCAN DARLINGS. Würdest du mir da zustimmen?
Chris: Ich weiß worauf du hinauswillst, aber …. Nein. Hahaha. So schreibe ich einfach meine Songs, wirklich, die kommen so raus. „Valentine“ ist auf einem Dur-Akkord geschrieben, mit einem Moll-Akkord als geschmackvollem dritten, sowie einer treibenden Melodie für die Stimme, die zu der Akkord-Folge passt. Die meisten TRASHCAN DARLING Songs waren auch Dur-Akkord-Songs. Wenn du aber mal genau hinhörst, dann entdeckst du diese Art von Abfolgen und Melodien auch hier und da bei den SUICIDE BOMBERS. Ja sogar bei ein paar Songs, die ich für RONNY PØBEL gemacht hab.
„Chris ist ein Hybrid von CHUCK BERRY, der vom Rock n Roll beeinflusst ist. Auf dem Weg dorthin hat er mit HANOI ROCKS zu Abend gegessen und hatte ein köstliches W.A.S.P. Crown Royal Brulee zum Nachtisch. Auf dem Heimweg ist er ein paar Punks begegnet und wurde in deren Gemeinschaft indoktriniert. Als er schließlich zu Hause ankam, war er ein Punsch aus den besten Elementen der Musik.“
Sandy Hazard über Chris Damien Doll
Manu: Wie waren denn die Reaktionen auf das Album bis jetzt?
Sandy: Bisher wirklich sehr toll. Wir haben das die letzten zwei Jahre gut geheim gehalten, weshalb es die Fans unserer anderen Bands sehr überrascht hat, als wir das Album angekündigt haben. Die ersten Reviews waren sehr positiv und die Kommentare der Radio DJs, die das Album bereits gespielt haben, waren voll des Lobes. Wir sind sehr stolz auf das Album und wir wollten ein Album machen, dass wir beide lieben.
Chris: Ich bin es gewöhnt mit vollständigen Bands und Proben an Alben zu arbeiten, dann hast du dann drei bis vier andere Typen, die sich über die Songs und die Aufnahmen unterhalten. Manchmal spielst du sogar einen oder zwei Songs live bevor zu sie aufnimmst und bekommst sofort ein Feedback von denen. Diesmal waren es nur wir beide, und später kam dann Maria Maxwell dazu, die einen super Job gemacht hat beim Mixen und Mastern des Albums. Es war also nur ein sehr kleiner „Haufen“ an Menschen, die über die ganze Zeit involviert waren. Was ich sagen will ist, dass es sehr cool ist, dieses ganze Lob in der Presse zu bekommen. Wir wissen, dass das Album großartig ist, aber es ist befriedigend dafür die Bestätigung zu erhalten. Ich kann es kaum erwarten, dass die Fans das Album hören.
Manu: Plant ihr Live-Gigs mit DOLL HAZARD?
Chris: Wie viel bietest du uns? Hahaha. Nichts ist unmöglich, aber es ist eher unwahrscheinlich. Das wäre wohl ein logistischer Alptraum.
Manu: Plant ihr mit irgendeiner eurer Bands eine Deutschland-Tour?
Chris: Die SUICIDE BOMBERS haben bei der europäischen Tour zu “Sex Tapes” in Berlin gespielt. Es war toll wieder da zu sein. Mit den TRASHCAN DARLINGS war ich immer mindestens einmal im Jahr in Deutschland, aber seitdem war ich es nicht mehr. Sehr viele alte Freunde und Fans haben den Weg auf sich genommen um uns zu sehen und, obwohl mein Deutsch dieser Tage etwas eingerostet ist, hatte ich eine gute Zeit. Wir hoffen, dass wir bald wieder kommen und vielleicht auch eine längere Tour machen können, aber bisher ist nichts gebucht. Wir haben Anfang diesen Jahres in Belgien gespielt, nicht ganz Deutschland, aber nah genug, oder? Viele der deutschen Fans sind auch dorthin gekommen und es war großartig Marc (THE REVOLVERS, LOVESHOCKS, 2ND DISTRICT) dort mal wieder zu treffen. Wir sind seit vielen Jahren gut befreundet und seine Musik gefällt mir sehr gut.
Manu. Weil ich ja weiß, dass Chris es nicht mag wenn er nach seinem persönlichen Lieblingstrack auf einem seiner Alben gefragt wird, frag ich mal was anderes: Welche Arbeit (Band, Album, Lied) mögt ihr vom jeweils anderen am meisten und warum?
Sandy: Mir gefällt „Peggy Sue is Dead“ von den TRASHCAN DARLINGS besonders gut. Das war der erste Song, den ich von Chris gehört habe. Ich liebe den total und hab nach allem gesucht, was die Band sonst noch rausgebracht hat. Das war auch zu der Zeit wo wir uns erstmalig getroffen haben vor zehn Jahren und Freunde geworden sind.
Chris: Da gibt es einige. Ich war total von den Socken als ich das erste Mal DIRTBAG REPUBLIC gehört habe und war sehr glücklich, dass Sandy sein eigenes Ding gemacht hat und die guten Dinger rausgehauen hat. Das MCRACKINS Album … verdammt ich hab den Namen vergessen … das mit „Summer of Life“ drauf, das ist mit Abstand mein Lieblingsalbum von ihnen und das war grade neu als ich Sandy kennengelernt habe. Aber mein liebster Song aller Zeiten von ihm ist ein unveröffentlichter Song von PRETTY BOY FLOYD, namens „Black and Blue Avenue“. Das könnt ihr auf Youtube finden. Ein großartiger Song! Ich könnte noch viele weitere aufzählen…. Wir sind schon sehr lange befreundet und haben uns immer gegenseitig unterstützt.
Manu: Das Jahr neigt sich langsam dem Ende zu: Was sind denn eure persönlichen TOP 3 Alben des Jahres 2017?
Sandy: In keiner bestimmten Reihenfolge: JUNKYARD – „High Water“, SUICIDE BOMBERS – „Suicide Idols“, STEVIE R. PEARCE AND THE HOOLIGANS… Und es gibt noch eine ganze Reihe weiterer, die ich nennen könnte.
Chris: Verdammt, ich muss dran denken mir dieses JUNKYARD Album endlich mal anzuhören. Ebenfalls keine Reihenfolge: DIRTBAG REPUBLIC – „Downtown Eastside“, VAIN – „Rolling With The Punches“ and JESUS & MARY CHAIN – „Damage & Joy“.
Manu: Welche Bands aus euren Ländern sollten sich unsere LeserInnendenn unbedingt mal zu Gemüte führen?
Sandy: THE HEADSTONES – kanadische Hardrocker, die man außerhalb von Kanada kaum kennt. THE WILD – das ist eine sehr hart arbeitende, von AC/DC beeinflusste Band aus meiner Provinz, die zusammen mit AIRBOURNE in Europa und den Staaten getourt ist. ART BERGMANN – die kanadische Antwort auf Paul Westerberg, er ist eine Punklegende hier. TEENAGE HEAD – eine andere legendäre Punkband, diesmal aus Toronto. Denk an die RAMONES, sehr schneller Punk mit ein bisschen mehr 50er Einschlag. Warner Canada hat gerade ein neu gemastertes Doppelalbum ihrer ausgewählten Discographie veröffentlicht und es klingt fantastisch. Und hey, THE REVOLVERS haben deren Song „Ain`t Got No Sense“ gecovered.
Chris: THE GOOD, THE BAD & THE ZUGLY ist eine richtig coole Band von hier und macht Musik zwischen Punk und Hardcore. Mein Freund Ivar, der bei SILVER dabei war, singt für die. Sie haben tolle Songs und eine ganze Menge Energie. Außerdem solltet ihr euch die CRUEL INTENTIONS anhören. Es sind zwar überwiegend Schweden in der Band, aber ich glaube sie wohnen in Oslo. Sie haben gerade einen Plattendeal unterzeichnet und werden ihr Debüt im nächsten Jahr veröffentlichen. Sehr tolle Jungs mit schön sleaziger Rock`n`Roll- Musik.
Manu: Ich wusste gar nicht, dass Ivar da dabei ist. Verdammt, das muss ich mir anhören!
Chris: Er war beim ersten Album nicht dabei, aber er singt auf dem zweiten. Beide sind sehr gut.
„Ich war total von den Socken als ich das erste Mal DIRTBAG REPUBLIC gehört habe […] Aber mein liebster Song aller Zeiten ist ein unveröffentlichter Song von PRETTY BOY FLOYD, namens „Black and Blue Avenue“. Das könnt ihr auf Youtube finden. Ein großartiger Song!
Chris Damien Doll über Sandy Hazards Musik
Manu: Wenn ihr auswählen könntet: Für welche Band würdet ihr gerne mal auf einer Tour eröffnen und warum?
Sandy: Vermutlich die Band von MICHAEL MONROE. Ich hab das Line-Up mit Dregen gesehen und fand, dass das eine der coolsten Bands ist, die ich jemals live gesehen habe. Ich hab sie danach noch getroffen und alle sind wirklich nette Jungs. Rich Jones ist da jetzt mit dabei und es wäre auch cool noch jemand anderen aus Vancouver dabei zu haben um sich alte Geschichten zu erzählen.
Chris: MICHAEL MONROE wäre großartig! Und KISS wäre auch cool würde ich sagen.
Manu: Sandy, was gibt’s denn neues von DIRTBAG REPUBLIC und was sind eure Pläne in naher Zukunft? Chris, die selbe Frage an dich in Bezug auf die SUICIDE BOMBERS und RONNY PØBEL…
Sandy: DIRTBAG ist ziemlich umtriebig … Wir wollen noch ein paar Videos zum Album rausbringen. Die sind bisher leider auf der Strecke geblieben. Wir haben letzte Woche zusammen gejammed und ein paar neue Lieder für Album drei ausprobiert. Wir haben bereits 15 Songs und die sind schon ziemlich gediegen. Wir werden das auf 10 eindampfen und dann Ende 2018 oder Anfang 2019 ein Album rausbringen. Wir denken auch über Live-Shows nach.
Chris: Die SUICIDE BOMBERS haben einen tollen neuen Leadgitarristen im Sommer bekommen und wir arbeiten derzeit an Songs für das nächste Album, proben aber auch die alten und ein paar bisher noch nicht live gespielte. Es ist noch zu früh an Studio oder ein Release-Datum zu denken, aber ich kann bereits sicher sagen, dass das neue Album wieder ein Meisterstück werden wird. Wir wollen im Spätfrühling live spielen und wir freuen uns schon sehr wieder raus zu gehen
Manu: Was ist mit RONNY PØBEL? Ihr bringt doch jetzt ein Album raus?
Chris: Ja. “Like Kald” ist unser achtes Album, glaube ich. Es wird im Januar rauskommen. Wer die anderen Alben mag, wird dieses lieben. Derselbe Stil, dieselbe Band, neue Songs.
Manu: Sandy, wir haben mal privat über die Downtown Eastide in Vancouver gesprochen, weil die ja das Thema des im April veröffentlichten Albums von DIRTBAG REPUBLIC ist. Kannst du unseren LeserInnen etwas darüber erzählen, warum ihr dieses Thema gewählt habt und wie es ist, in Downtown Eastside zu leben?
Sandy: Ich schreibe sehr viel aus persönlichen Erfahrungen, aber auch beobachtend. Bei der „Downtown Eastside“ war ich in der Beobachterrolle. Die Downtown Eastside besteht mehr oder weniger aus sechs Blöcken und in einem größeren Radius der Innenstadt von Vancouver kämpft man seit etwa 30 Jahren mit Problemen, die mit Drogen, Alkohol, Prostitution und mentaler Gesundheit zu tun haben. Die Provinzregierung ist für dieses Fiasko ganz alleine verantwortlich, weil sie in den 1980er Jahren die „Riverview“ Nervenklinik geschlossen haben. Dies hat eine ganze Reihe von Menschen in die Downtown Eastside getrieben, die auf diesen Ort angewiesen waren um Unterstützung zu bekommen. Viele dieser Menschen haben sich Drogen und anderem zugewandt, so dass dieser Zirkel sich immerzu wiederholt. Ich habe über die Dinge geschrieben, die ich in diesem Gebiet gesehen habe und ein Song ist aus der Perspektive einer wohnungslosen Person, die dort lebt. Nicht, dass ich behaupten könnte, dass ich weiß, was ein Mensch in einer solchen Situation wirklich durchmacht. Nächstes Jahr wollen sie die Nervenklinik wieder eröffnen, ich hoffe, dass erfüllt einigen Menschen die Hoffnung aus diesem endlosen Kreislauf aus Verzweiflung rauszukommen.
Manu: Wollt ihr sonst noch was loswerden:
Chris: Ja, auf jeden Fall! Ich will, dass eure LeserInnen wissen, dass es einen Albumteaser auf Youtube gibt, mit Ausschnitten einiger Songs. CDs können auf unserer Webseite gekauft werden. Das wars eigentlich. Wie immer schön, mit dir zu quatschen.
Manu: Das gebe ich gerne zurück. Danke euch für eure Zeit.